Gestern hat unsere Nationalelf doch tatsächlich ein Schützenfest im EM-Qualifikationsspiel gegen San Marino gefeiert. 13:0 hieß es am Ende. Man sollte sich eigentlich freuen, dass wir wieder einmal so klasse gespielt haben, oder war es eine Demütigung eines "Fußballzwergen" der öffentlich und mit Begeisterung vorgeführt wurde. Der "Fair Play-Gedanke" jedenfalls bleibt bei solchen Spielen auf der Strecke. Verantwortlich dafür ist die UEFA. Man könnte für solch schwache Mannschaften einen anderen Qualifikationsmodus finden.
Das Medieninteresse ist und war groß im Falle des Entführungsfalles "Natascha Kampusch". Seit gestern wird es nun systematisch ausgeschlachtet, "behutsam und einfühlsam" versteht sich, mit "Extraseiten und psychiatrischem Beistand". "Das Interview" war anscheinend der Straßenfeger schlechthin. Ich habe es nicht gesehen, bin aber ob der Berichterstattung doch erschrocken. Legitimiert wird das Ganze mit dem Wunsch auf Information. Von welcher Seite? Ich hatte diesen Wunsch nie gehegt. Ehrlich gesagt interessiere ich mich auch nicht für Verbrechen in Form von Schlüssellochspäherei. Auch hier wurde eine junge Frau auf die offene Bühne gezerrt, "behutsam", versteht sich (s.o). und "mit Schutz und Rücksichtnahme auf ihre Empfindsamkeiten und das erlittene Leid". Kaum zu glauben. Macht es da einen wesentlichen Unterschied, ob da die WAZ zusammen mit NEWS interviewt oder die Bild oder das ORF und RTL die Verantwortung übernehmen? Es ist und bleibt ein seelischer Striptease, egal wie weit man in die Privatsphäre eindringt. Irritiert bin ich auch darüber, dass die Berater und Psychiater einen richtig guten Deal mit den interessierten Medien gemacht haben. Wohlgemerkt "einfühlsam und zum Wohle der jungen Frau (s.o.)". Ich würde das eher als Abzocke bezeichnen, um die öffentliche Neugier zu befriedigen. Ehrlich helfen sieht aus meiner Sicht ganz anders aus und kann auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschehen zum Schutze der 18-jährigen, vielleicht mit neuer Identität und selbstloser finanzieller Unterstützung der Medien. Das wäre verantwortungsbewusst!
Oder will das sehr eloquent, auffallend selbstsicher und wortgewandt auftretende Opfer dieser Tat dies so und ist sich ihrer Verantwortung gar nicht bewusst, wenn sie davon erzählt, dass sie zwei Projekte plane: Hungernden in Afrika helfen und sich für Frauen in Mexiko einsetzen, die vom Arbeitsplatz verschleppt, entführt, brutalst gefoltert und vergewaltigt werden.
Der Entführer hat für sich selbst Verantwortung übernommen und bewusst zum Mittel der Selbsttötung gegriffen. In der Soziologie auch als anomischer Suizid bekannt. Das gleiche gilt für den Hauptverdächtigen im jüngsten Skandal um Gammelfleisch, der zudem noch eine Firmenpleite befürchten musste und sich der Vorverurteilung in den Medien nicht mehr gewachsen sah. Ja, ich kann's verstehen, das ist verdammt ärgerlich, dass diese beiden Herren nicht mehr interviewt werden können, deshalb werden sie auch als Feiglinge tituliert.
Beim Gammelfleisch frage ich mich allerdings immer noch: Wer ermöglicht denn solche schwerstkriminelle Dimensionen? Die EU mit ihren immensen Subventionen? (Fleischhalden und Transporte von Waren durch ganz Europa, die letztlich wieder dort landen, wo sie hergekommen sind.)Â Schlampige Lebensmittelkontrollen? Lückenhafte Gesetze? Der Handel, sprich Imbissbetriebe oder Restaurants? Der Verbraucher, der nicht bereit ist, einen marktentsprechenden Preis zu bezahlen (Anm.: in Berlin wird ein Dönerprodukt für 1 Euro angeboten, in Frankreich kostet der Döner über 5 Euro)Â und in seinem Konsumdenken deshalb auf Billigfleisch setzt. Wir alle in der Rolle als Schnäppchenjäger? Wer trägt hier die Verantwortung?
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In Freiheit leben heißt erst leben.
Karl Wilhelm Ramler (1725-1798) Deutscher Lyriker
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