Was zu verzollen? Â
Weihnachtsgeschichte von Heinz Bornemann (bis 2002 Regisseur der Tagesschau und der Tagesthemen der ARD)   Â
In Hamburg gibt es wie jeder weiß, an der Elbe einen großen Hafen. Und mittendrin liegt der so genannte Freihafen, das Zollgebiet. Wie an einer ausländischen Grenze gibt es auch hier einen Schlagbaum und die Zöllner kontrollieren die Menschen, die Richtung Innenstadt wollen. Es ist kurz vor Weihnachten. Zöllner Fred schiebt Dienst und hat es sich in seiner kleinen Wachstube gemütlich gemacht. Um diese Zeit ist nicht mehr viel los. Ab und zu mal ein Taxifahrer, der einen Seemann bestimmt nicht zu einer Weihnachtsfeier fährt. Man kennt sich und winkt ihn kurz grüssend durch.
Gerade als er sich seinen frisch gebrühten Tee einschenken will, stört ihn lautes Motorengeräusch. Schnell die Mütze gerade gerückt und schon steht ein großer, alter Lastwagen vor seiner Schranke. "Guten Abend, Zollkontrolle, darf ich mal ihre Ladepapiere sehen?" Am Steuer sitzt ein älterer Herr mit Bart und schmunzelt: "Ich habe keine Ladepapiere, nur Wunschzettel. Ich bin der Weihnachtsmann." "Ja, ja und ich der Kaiser von China", antwortet noch beherrscht Zöllner Fred. Er macht hinten die Ladeluke auf und sieht Unmengen von Spielsachen und Süßigkeiten. "Von welchem Schiff sind die denn geschmuggelt?" Der alte Herr hat inzwischen das Führerhaus verlassen. Gekleidet in einer alten Jeanshose und Weste sieht er wirklich nicht wie der Weihnachtsmann aus. "Wir hatten dieses Jahr Transportprobleme mit den Schlitten und da haben wir alle Geschenke für die Hamburger Kinder per Schiff kommen lassen." "Folgen sie mir bitte in mein Büro", kommt nun schon etwas unfreundlicher die Aufforderung vom Zöllner. "Bitte weisen sie sich aus."
Der alte Herr nestelt einen alten, vergilbten Zettel aus seiner Hosentasche. Name: Weihnachtsmann, Geburtsort: Nordpol. So langsam reicht es Fred, ist es die versteckte Kamera oder war schon wieder einer aus der Psychiatrie entflohen. Irgendwie war ihm unwohl. Aber gut, denkt er, spiele ich ein wenig mit. "Wieso haben sie ihre Dienstkleidung nicht an, so läuft doch kein Weihnachtsmann rum?" "Nun, beim Verladen der Geschenke wäre mein schöner roter Mantel doch recht unansehnlich geworden. Ich verrate ihnen ein Geheimnis, in der großen Kirche am Hafen, dem Michel, habe ich in den unteren Gewölben meine Geheimkammer, dort ziehe ich mich immer um und gebe dann vom Turm meinen Rentieren das Zeichen zum Aufbruch."
Langsam muss der Zöllner nun doch schmunzeln, soviel Unsinn hatte er an einem Tag noch nicht gehört. "Weißt du noch Fred, wie ich vor vielen Jahren deinen größten Wunsch nicht erfüllt habe?" Der Zöllner stutzt, woher kannte er seinen Namen? "Du wohntest mit deinen Eltern und Geschwistern in der Stresemannstrasse, die Zeiten waren schlecht und dein größter Wunsch war ein Teddybär. Dein Vater konnte nicht jeden Wunsch erfüllen und so schriebst du mir einen Wunschzettel. Aber auch bei uns waren die Möglichkeiten begrenzt."
Der Zöllner kratzt sich verlegen am Hinterkopf, die Daten stimmten, woher wusste der alte Herr das. Der Weihnachtsmann schmunzelt und holt einen alten, verstaubten Aktenordner hervor. "Auch wir haben eine gute Buchführung, sehen wir doch mal nach." Er blättert die Jahrgänge durch und sein Gesicht strahlt. "Hier haben wir ihn ja", mit diesen Worten hält er Fred seinen alten Wunschzettel unter die Nase. Sprachlos starrt Fred auf den Zettel. Tatsächlich, sein alter noch mit krickeliger Kinderschrift beschriebener Wunschzettel. "Nun wenn das so ist, dann mal los, wollen wir die Hamburger Deerns und Jungs nicht warten lassen." "So ist es recht mein Guter, wünsche dir frohe Weihnachten."
Wie in Trance öffnet Fred den Schlagbaum, der alte Herr winkt ihm noch einmal freundlich zu und biegt rechts zur Stadt ab. "Das darf ich auch keinem Kollegen erzählen", brummelt der Zöllner und geht nachdenklich zurück in die warme Wachstube. Als er sich gerade setzten will, fällt sein Blick auf einen braunen Teddybär.
© Heinz Bornemann (mit freundlicher Erlaubnis des Autors. Danke Heinz und "Fröhliche Weihnachten!")
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