So manch einer wird sich heute gefragt haben: Na wo ist es denn das blaue Band des Frühlings, dass uns für heute versprochen war? Genauer um 1.07 MEZ. Zu diesem Zeitpunkt war es jedenfalls dunkel und verdammt kalt. So mancher Autofahrer durfte heute in der Früh seine Autoscheiben vom Eise befreien.
Die Jahreszeit habe ich eigentlich anders in Erinnerung. Da hieß es Knospen zählen, das Vogelhäuschen wegräumen, Kniestrümpfe anziehen. Irgendwie macht einen der Frühling ganz verrückt. Ob er nun da ist oder auch nicht.
Wenn der holde Frühling lenzt,
und man sich mit Veilchen kränzt,
Wenn man sich mit festem Mut
Schnittlauch sich ins Rührei tut,
Kreisen durch des Menschen Säfte
Neue, ungeahnte Kräfte –
Jegliche Verstopfung weicht,
Alle Herzen werden leicht,
Und das meine fragt sich still:
Ob mich dies Jahr einer will?
So schrieb einst Friederike Kempner ihre Eindrücke über den Frühling nieder. Sie wusste, dass es im Frühling nicht nur singende Vöglein, sprießende Krokusse und eine beflügelte Libido gibt, sondern auch eine animierte Verdauung. Das gibt den Dingen doch eine ganz andere Dimension. Ähnliches empfand ich als ich gestern ein Vorwort zu Frühlingsgerichten für ein Kochbuch schrieb.
Aber mal Hand aufs Herz. Haben wir uns nicht in den vergangenen Wochen ereifert als der Frühling es wagte, schon vor dem 21. März Sonnenschein, ein laues Lüftchen und das so schmerzlich vermisste blaue Band vorbeizuschicken. Die Meteorologen haben schnell in ihren Aufzeichnungen den wärmsten Winter aller Zeiten dokumentiert. Klimakatastrophe war das Diskussionsthema schlechthin. So, und nun lässt er’s bleiben – der Frühling.
Nun können wir uns Gedanken machen über die Gesetze der Natur und die Rolle des Menschen.
Denn zum Beispiel war für die Meteorologen bereits am 1. März Frühlingsanfang, der leichtern Handhabung wegen. Was heißt hier Handhabung?
Für einen Mieter in Buer-Hassel war er, wie ich las, bereits zu Ende bevor er eigentlich angefangen hatte. Wie jedes Jahr im Frühling hatte er einen Blumenkasten mit Primeln bepflanzt, um das Treppenhaus damit zu schmücken. Um 12.30 stellte der Hasseler gestern den Kasten in den Hausflur. Nur zwei Stunden später traute er seinen Augen nicht. Der Blumenkasten war gestohlen worden. Sauerei, so was. Den Frühling sozusagen einfach geklaut.
Wann genau ist denn nun Frühlingsbeginn? Wenn die ersten Blumen blühen? Die konnte man schon im Februar in den Osterdekorationen der Blumenläden sehen. Oder wenn es der Kalender sagt? Auch darauf ist kein Verlass. Es gibt zu viele. Mein persönlicher Taschenkalender nannte den Dienstag, 20 März, ja und mit dem julianischen und gregorianischen Kalender komme ich auch nicht so zu recht. Was ich mir davon gemerkt habe ist, dass die Zeit von Menschen gemacht wurde. In diesem Fall vom Papst, folglich also der katholischen Kirche, vielleicht hat da in Wirklichkeit der liebe Gott seine Hand im Spiel gehabt.
Irgendwie bleibt es ein Kuddelmuddel aus Zahlen und Gefühlen, wo es heißt, cool zu bleiben. Persönlich werde ich mir die Jacke wieder zuköpfen, den Schnee von den Narzissen pusten und über die dunklen Wolken lachen.
Bis jetzt ist er noch jedes Jahr gekommen, der Frühling, und auch diesmal hat er nicht abgesagt.
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